Das i-Tüpferl - Lehrabschluss mit 57

Für Werner Krenn erfüllte sich bei Anton Paar der Berufswunsch aus der Jugendzeit: 2018 schloss der 57-Jährige die Elektronikerlehre ab. Werner: "Ohne meine jungen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich für die LAP gelernt habe, wäre ich nicht mutig genug gewesen, um bei der Prüfung anzutreten. Ihre Akzeptanz ist für mich das Tüpferl auf dem i."

Plötzlich war alles ganz anders

Julian Haupt (links) und Werner Krenn (rechts) lernen mit Jessi Magg (Mitte) für die Lehrabschlussprüfung.

Versagensängste nagen am Selbstbewusstsein. Werner Krenn kann ein Lied davon singen: „Ich hatte Angst, in meinem Alter nicht mehr das leisten zu können, was von mir erwartet wird. Und dazu von den jungen Leuten ausgelacht zu werden, weil ich ‚Opa‘ noch einmal von vorne anfange und mich dabei so naiv anstelle.“

Die jungen Leute sind 18 Jahre alt. Die Rede ist von Nina Hofstetter, Julian Haupt, Daniel Söls und Jakob Dürrauer. Die vier begannen drei Jahre zuvor bei Anton Paar ihre Elektronikerlehre. Gemeinsam bereiteten sie sich seit Anfang des Jahres auf die Lehrabschlussprüfung vor. Die Abschlussprüfung war für sie der Beginn des Berufslebens als Facharbeiterin und Facharbeiter. Für Werner dagegen wäre sie ein beruflicher Neustart mit über 50.

Aber beginnen wir mit der Geschichte von vorne. 37 Jahre hatte Werner als gelernter Glaser bei drei verschiedenen Firmen gearbeitet, bis ihn zwei Bandscheibenvorfälle berufsunfähig und in Folge arbeitslos machten. In Frühpension wollte Werner nicht gehen. Einige Monate Rehabilitation und mehrere Kurse des Arbeitsmarktservice später offenbarte ein Fähigkeitstest, dass er zum Elektroniker geeignet wäre. Dass dieses Handwerk Werners Berufswunsch als Jugendlicher war, schien eine Fügung des Schicksals. Er begann mit der Umschulung, die eineinhalb Jahre dauern sollte und ihn von Graz nach Linz führte. „Schwierig war für mich, in einem Kurs vor allen anderen Fragen zu stellen, wenn ich etwas nicht verstanden hatte. Bei Anton Paar war das dann ganz anders“, sagt Werner.

Praktikum - Prüfung - Job

Für ein gefordertes einmonatiges Praktikum bewarb sich Werner bei Anton Paar in Graz. Weil das Unternehmen für die Rheometermontage gerade Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchte, bekam er einen Praktikumsplatz.

Werners Einsatz führte dazu, dass er nach dem Praktikum für ein halbes Jahr neben der Umschulung in Linz zwei Tage pro Woche in der Rheometermontage mitarbeitete. Noch vor der Lehrabschlussprüfung in Linz bewarb er sich um eine Fixstelle. Diese bekam er mit der Auflage, die Lehrabschlussprüfung auch wirklich zu machen. Werner strengte sich an. Und dann fiel er bei der Prüfung durch...

„Meine Ängste schienen sich zu bestätigen. Ich dachte, ich schaffe das in meinem Alter nicht mehr. Ich kann das nicht. Ich sah meine berufliche und private Zukunft den Bach hinuntergehen“, erzählt Werner. Als Bernd Muhr, bei der Anton Paar GmbH verantwortlich für die Lehrlinge, vom negativen Prüfungsergebnis erfuhr, meinte er: „Es wäre ja gelacht, wenn wir das nicht gemeinsam schaffen.“ Und Werner wurde unter Anton Paars „Lehrlingsfittiche“ genommen. Gemeinsam mit den vier anderen Elektroniklehrlingen besuchte er die Vorbereitungskurse im Unternehmen und lernte neben der Arbeit intensiv für den Lehrabschluss.

Werner (links) und Julian in der Montage für den PSA (Particle Size Analyzer).

In der PSA-Montage

Werner mit dem Particle Size Analyzer, das kleinste Teilchen in Flüssigkeiten und Pulvern vermisst.

Jessi Magg, Kalibriertechnikerin, lernte selbst bei Anton Paar Elektronik. Die passionierte Handballspielerin weiß auch als Trainerin für die Lehrlinge, wie man ihnen den Ball zuspielt. Sie organisiert seit 2014 die firmeninternen Kurse für die Elektronik-Lehrabschlussprüfung. In der Vorbereitungszeit werden 537 Fragen ausgearbeitet und gebüffelt; zudem üben die Lehrlinge praktisch. Den Übungsteil leitet Jessi, für die Theorieschulungen sind Ihre Kollegen Heimo Kotzian und Rene Koller mit an Bord.

Letztendlich schafften alle Elektroniklehrlinge die Prüfung; also auch Werner. Nun arbeitet er genauso wie Julian in der PSA-Montage. „Mit einem PSA vermisst man die Teilchen in Flüssigkeiten und Pulvern, zum Beispiel Kakaopulver. Große Teilchen im Kakao sind bitterer als kleine. Ein PSA bestimmt also quasi Geschmack“, erklärt Werner schmunzelnd und stolz „sein“ Messgerät.

An die Zeit der Lehrabschlussprüfung erinnert sich Werner mit gemischten Gefühlen: „An drei Prüfungstagen konnte ich nichts essen, mir war übel und ich schlief fast nicht.“ Dann beginnen seine Augen zu leuchten, wenn er über die Zeit nach der LAP berichtet: „Die geschaffte Prüfung und die Arbeit bei Anton Paar als Elektroniker sind für mich die Erfüllung eines Jugendtraums. Ohne meine jungen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich gelernt habe,wäre ich vielleicht nicht mutig genug gewesen, um noch einmal bei der Prüfung anzutreten. Ihre Akzeptanz war für mich das Tüpferl auf dem i. Trotz meines Alters gehörte ich dazu.“ Auf die Frage nach dem Altersthema, das bei Werner immer wieder auftaucht, antwortet Julian: „Werners Alter war und ist für uns nicht wichtig. Lehrling ist Lehrling und wir müssen alle Dasselbe lernen, egal, wie alt jemand ist.“